Donnerstag, 3. September 2009

Kiliansmännle, 14.12.1994

Süßer klingeln?Noch eineinhalb Wochen - und dann ist Heiligabend. Diesmal am Samstag. Das freut viele Arbeitnehmer nicht. Wärs ein Montag, dann könnte der Dienstag und Mittwoch ein kleines Urlaubsweihnachten sein. Ein paar Feiertage mehr. So bleibt halt nur der Montag als zweiter Weihnachtsfeiertag. Und in den Geschäften des Unterlands - süßer die Kassen nie klingeln? Beileibe nicht. Die Heilbronner und Unterländer Kaufleute merken halt in diesen Tagen schon deutlich, daß im neuen Jahr alles teurer werden wird. Deshalb haben sie - vor allem bei Textilien - jetzt die Preise kräftig herabgesetzt. Schnäppchenjäger-Zeit ist angesagt. Wer wollte den Bürgern auch verdenken, daß sie beizeiten beginnen zu sparen.

Stadt-Sparen
Da hat sich der Heilbronner Gemeinderat ja mal richtig angestrengt. In einer Mammutsitzung ab neun Uhr morgen wurde bis in den späten Abend hinein getagt. Das Haushaltsloch scheint gestopft. Von 25 Millionen keine Rede mehr. Auch nicht von 20,5 Millionen. Was beim harten Rechnen und Feilschen zwischen Stadtverwaltung und Rat herauskam, das wird auf Heller und Pfennig erst diese Woche am Donnerstag im Heilbronner Rathaus präsentiert. Ein Sieger aber steht schon fest: Heilbronns Finanzbürgermeister Werner Grau hatte sich genauestens vorbereitet - und atmete hörbar auf, als Einsparungen und Steuer- sowie Abgabenerhöhungen beschlossen waren. Die Finanzlage der Stadt ist wieder im Griff. Souverän, elegant und hart in der Sache hat Werner Grau die Mannen und Frauen Räte in die kommunale Pflicht genommen. Eben - ein Könner seines Fachs.

Neues AutoDa mögen manche wieder lospoltern: Warum braucht Heilbronns Oberschultes Manfred Weinmann in einer Zeit, in der alle sparen, einen neuen Dienstwagen? Immerhin, eine zwölfmonatige Stellen-Wiederbesetzungssperre und einen dreiprozentigen Stellenabbau beschloß der Heilbronner Gemeinderat. Warum muß der Oberbürgermeister da nicht mitziehen? Warum sollte er? Weinmann macht das einzig Richtige. Er trägt sein Scherflein zur Konjunktur-Ankurbelung bei.

Käseduft
Auf romantischen Bildchen aus dem 19. Jahrhundert haben Weihnachtsmärkte immer etwas heimeliges, aber armseliges in ihrem Erscheinen. In unseren Tagen sind sie ein Spiegelbild der Wohlstandsgesellschaft. Höchst Überflüssiges wird dort teilweise angeboten - eben Schnickschnack, nur so zum Mitnehmen im Vorübergehen, weils momentan gefällt. Zuhause weiß man dann oft nicht, was damit anzufangen. Also wirds verpackt und weiterverschenkt. Möglichst an Leute, denen man halt was schenken muß, aber eigentlich nicht will. Aber das Schönste an Weihnachtsmärkten sind doch die unverwechselbaren Düfte und Genüsse. Gebratene Äpfel, heiße Maronen, kandierte Nüsse, Glühwein, Christbaumschmuck, etc. etc. ... - Im Zeichen des Überflusses gibts nun auch Käsestände, Fleischwaren-Buden, Keramikbasare und vieles andere mehr. Ob das weihnachtlich stimmt, das muß der Marktbesucher selbst entscheiden. Zwei Tage vor Eröffnung des Wimpfener Altdeutschen Weihnachtsmarktes verbot das Amtsgericht Heilbronn das Betreiben eines Raclette-Standes, weil Raclette „keine typische Speise für einen altdeutschen Weihnachtsmarkt“ sei. Ist Kebab etwa eine typische Speise für Weihnachtsmärkte? An zwei Ständen in Wimpfen wird dieser köstliche türkische Hamburger angeboten. Ich meine, ein Gericht sollte nicht weihnachtlicher als der Weihnachtsmann urteilen.

Gestank?Das muß man sich mal überlegen: Da meckert ein Abstatter Speditionsunternehmer über eine Würstchenbude. Der Geruch des bratenden Fleisches ziehe vom Parkplatz direkt ins Bürofenster des Spediteurs. Eine unzumutbare Belastung, meint der Fuhrmann. Entweder die Würstchenbude oder die Spedition, stellt er zur Wahl. Nichts gegen die Aversion eines Menschen gegen Bratwürste, aber daß sich ausgerechnet ein Spediteur beschweren muß, dessen zahlreiche Lastzüge nun gewiß auch nicht gerade eine Bereicherung für die Umwelt sind, das grenzt schon an Schabernack. Wieviel Dieselruß bläst so ein Brummi raus?

Miss SaigonIn Stuttgart wurde mit einem rauschenden Fest das Musical „Miss Saigon“ Premiere gefeiert. Das mußte ich gesehen haben. So stieg ich also vom Turm - und ab ins Prominenten-Getümmel von 1800 Gästen - 800 Geladene, der Rest mußte 1.200 Mark pro Karte zahlen. Was die 53 Darsteller der 20 Millionen Mark teuren Produktion da auf der Musical-Bühne zeigten, das hatte man im Ländle noch net gesehen, besitzt Weltstadtniveau und wurde von den Premierengästen mit stehenden Ovationen und vielen Bravos gefeiert. In der 1.800 Plätze umfassenden Musical-Hall auf den Fildern in Stuttgart-Möhringen wurde - so die nahezu eindeutige Meinung von Gästen und Kritikern - Musik-Theater vom Feinsten geboten. Musicalmacher Rolf Deyhle, der bisher in Deutschland mit seinen Musical-Häusern nur große Erfolge feiern konnte, hat mit fünfhundert Millionen Mark Investitionen hinzu noch 1.300 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das nenne ich anständige Innovation. So mancher brave Heilbronner oder Unterländer Bürger wird es sich jetzt zweimal überlegen, ob er in der Region ein flaches Theaterstück anschaut oder mit der holden Gattin lieber ein festliches Erlebniswochenende bei „Miss Saigon“ in Stuttgart verbringt - samt gutem Essen und angenehmer Erholung im angeschlossenen Badeparadies „Schwaben-Quellen“. Aber erst in den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob das, was bei der Premiere rauschend war, im hartumkämpften Alltag d‘Leut in Scharen nach Stuttgart ins Musical pilgern läßt.

DuschorgieHohe Wellen schlug zu Beginn dieses Jahres im deutschen Blätterwald der Duschorgien-Prozeß vor dem Heilbronner Landgericht. Drei Polizisten aus dem Bereich der Polizeidirektion waren angeklagt, eine Frau mit ins Polizeigebäude in der Karlstraße genommen zu haben, sie dort zum gemeinsamen Duschen genötigt und dann als Höhepunkt auch noch angepinkelt zu haben. Beleidigung und sexuelle Nötigung. Die Strafe für die Polizisten: fünf, 15 und 16 Monate Freiheitsstrafe. Die Verbüßung war gegen Geldstrafen von 4000, 6000 und 9000 Mark zur Bewährung ausgesetzt worden. Und alle drei Herren wurden sofort von ihrem Polizeidienst vorläufig suspendiert. Jetzt hat der Bundesgerichtshof die Revision der Verteidiger der Polizisten verworfen und das Urteil des Heilbronner Landgerichts für rechtskräftig erklärt. Damit verlieren zwei der Verurteilten ihren Beamtenstatus. Beim dritten läuft noch ein polizeiinternes Disziplinarverfahren mit dem Ziel, ihn aus dem Polizeidienst zu entfernen. Die Heilbronner Polizeidirektion hat also bestätigt bekommen: Wölfe im Schafspelz haben in ihren Reihen nichts zu suchen. Und der Rechtsstaat hat klar gemacht, welches Verhalten er von seinen Ordnungshütern erwartet.

Kalte Dusche
Da hat sich Baden-Württembergs Umweltminister Harald B. Schäfer (SPD) auch bei den Städten und Gemeinden des Unterlandes voll in die Nesseln gesetzt. Vollmundig verkündete der Minister, er sehe gute Einsparmöglichkeiten auf dem Abwassersektor. Vor allem im ländlichen Raum gebe es Möglichkeiten, die Abwassergebühren in Grenzen zu halten. Selbst so mancher Bürgermeister aus dem Stadt- oder Landkreis Heilbronn, der den Sozialdemokraten nahe steht, war da erbost über den SPD-Mann Schäfer. „Völliger Quatsch“, polterte ein Schultes. „Wir halten uns beim Bau von Kläranlagen an die Standards, die uns von Land, Bund und Europäischer Union vorgeschrieben werden. Keine Gemeinde vergräbt mehr Geld in der Erde als notwendig.“ Eine Kalte Dusche für Schäfer, dem von einigen Unterländer Bürgermeistern übrigens immer noch seine vollmundigen Versprechungen in Sachen Sommersmog-Verordnung übelgenommen werden. Denn mit diesen Ankündigungen sind in der Bevölkerung nur Erwartungen geweckt worden, die es im kommenden Jahr erst einmal einzuhalten gilt.

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