Mittwoch, 2. September 2009

Kiliansmännle, 28.09.1994

Freie BühneDenn sie kann es nicht lassen: Beate Weinreuter will nun Bürgermeisterin von Massenbachhausen werden. Zur Erinnerung: Der erste Versuch in Leingarten vor wenigen Monaten ging ja schief. Da holte sie zwar ein achtbares Ergebnis gegen den Platzhirsch, Hermann Eppler. Aber mehr war eben nicht drin. Anders könnte es nun in Massenbachhausen aussehen. Amtsinhaber Erich Schott streicht die Segel. Mit über 50 Jahren Lebensalter hatte er die Nase voll vom Schultesgeschäft. Die Bühne ist also frei für Frau Weinreuter. Nur eines darf die ehrgeizige junge Frau nicht wieder tun: die Spielregeln der Fairneß mißachten. Denn nach ihrer Niederlage gegen Eppler war sie nicht mal in der Lage, als Verliererin dem Gewinner ordentlich zu gratulieren. Mal sehen, wie sie ihren Wahlkampf in Massenbachhausen angeht.

Zähne gezeigtGerne vermelde ich von meinem Turm Erfolgsbilanzen. Voll eingeschlagen hat in Heilbronn die Aktion Gesunde Zähne. Wußten Sie, daß es sich dabei um Deutschlands ältestes und erfolgreichstes Anti-Karies-Programm handelt? Um mehr als 50 Prozent ging die Karies bei Kindern und Heranwachsenden zurück. Die Arbeitsgemeinschaft erreicht pro Jahr etwa 34.000 Kinder zwischen vier und zehn Jahren. Die Kosten der von Stadt, Landkreis, Krankenkassen und Zahnärzten vor zwölf Jahren ins Leben gerufenen Aktion belaufen sich auf etwa 440.000 Mark pro Jahr. 13 Mark pro Kind sind das. Soviel sollte uns die Zahngesundheit unserer Nachkommen schon wert sein.

Prost
Ein Prosit auf die Willsbacher Wengerter. Mit neuem Namen und neuen Etiketten wollen die Weingärtner um den Vorstandsvorsitzenden der WG Hermann Hohl zusätzliche Weinmärkte im Bundesgebiet erobern. „Weingärtner Willsbach“ heißt das neue Erkennungszeichen. Also weg von Bandwurmnamen wie „Weingärterngenossenschaft Mittleres Weinsberger Tal“? Und Distanz zum Begriff der Genossenschaft, der außerhalb württembergischer Landesgrenzen einen biederen schlechten Ruf genießt? Ob sich da Weinbaupräsident Hermann Hohl nicht vergaloppiert hat? Wäre ich Genossenschafts-Wengerter würde ich meinem Vorsitzenden gehörig die Meinung geigen, sollte er sich so wenig loyal zum gemeinsamen Produkt zeigen. Man kann doch als Weinbau-Präsident nicht den Ruf der Genossenschaften untergraben. Aber vielleicht ist es ja auch eine Idee des neuen Willsbacher Geschäftsführers Frank Ulrich Schlagenhauf, den Hohl für ein fürstliches Gehalt eingekauft haben soll?

Mathildenbad
Alle reden von Wohnungsnot. Und da sollen nun wie im Falle des Mathildenbades in Bad Wimpfen Wohnungen gebaut werden, aber jetzt ist das auch nicht recht. Bis zu 250 000 erschwingliche Mietwohnungen fehlen im Ländle. Bad Wimpfen aber braucht 20 Jahre, um sich im Gemeinderat zu einer Entscheidung durchzukämpfen. Mit dem Mathildenbad mußte sich übrigens schon der heutige Heilbronner Landrat Klaus Czernuska auseinandersetzen. Denn der war seinerzeit Bürgermeister von Bad Wimpfen.

AusstellungIn Heilbronn ist der Feschtles-Reigen schon vorüber. Unterländer Volksfest und Weindorf sind schon wieder Geschichte. Und die Unterland Ausstellung 1994 auf der Theresienwiese? Das ist weniger ein Fest, mehr eine festliche Schau für Industrie, Handwerk und Handel. Alle zwei Jahre soll sie für uns Konsumenten „das“ Wirtschaftsereignis der Region sein. Heuer das erste Mal im Herbst - zehn Tage lang. Fröhliche Gesichter, gute Laune und positive Einstellung zum Wirtschaftsgeschehen sollen unseren kleinen wirtschaftlichen Aufschwung beflügeln. Die Afag-Ausstellungsgesellschaft aus Nürnberg richtet heuer zum siebenten Mal im Auftrag der Stadt die Unterland Ausstellung aus. Im Volksmund hieß sie ja schon immer schlicht „Unterländer Ausstellung“. Aber in früheren Jahren experimentierte man mit Bandwurmnamen, die angeblich juristisch begründet waren. Und trotz aller demonstrativen Zuneigung, die zwischen Stadt und Afag gepflegt wird: manchen Beobachtern schien es so, daß bald ein Wechsel bei den Ausstellungsmachern angesagt ist. Nicht weil die Afag des Heiko Könicke schlechte Arbeit geleistet hätte, sondern weil der Wechsel das Geschäft belebt. Wie allüberall im Leben.

Feste
Übrigens: die Feste sind meistens so gut wie ihre Macher und Propagandisten. Jetzt beim größten Volksfest im Ländle in Stuttgart, beim Cannstatter Volksfest, ließ Manfred Rommel, der Landeshauptstadt-OB wieder Sätze los, die es in sich hatten und den Humor auf die Schaumspitze trieben. Beim Faßanstich auf dem Wasen erzählte der OB ganz trocken: „Ein Herr hat im Bierzelt a Weckle bestellt. Wie des komme isch, war‘s ziemlich feucht. Do muß die Kellnerin höra: Frollein, des Weckle isch ja feucht. Sie hat ihm aber rausgäbe: So isch recht. In jeder Hand fünf Maßkrüg und noch zwei Weckle unter de Ärm - und net amol schwitze dürfe.“ - Und da der Witz so schön deftig war, hat der Rommels Manfred auch noch gleich gedichtet, nach Cannstatter Art: “Jungfrau schmück‘ Dich mit dem Kranze, / Pudel, wedle mit dem Schwanze, / Jüngling, bügle rasch Dei Hos‘ / Denn jetzt geht‘s Volksfescht los.“ - Und mit sechs Schlägen - drei starke, drei leichte - brachte der Stuttgarter OB dann auch zünftig das Stuttgarter Bier zum Strömen. Mit Niveau eben. Und des isch dann au der Unterschied, der kloine - zum Unterländer Volksfescht.

HandwerkDer Gesellenbrief ist das Aktienpapier mit steigendem Wert im Handwerk - und ein Berufsführerschein für Europa. - Starke und richtige Worte des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer Heilbronn Gerhard Pfander. Und gesagt hat er das bei der Freisprechungsfeier am Sonntag in der Heilbronner Harmonie. 847 junge Leute erhielten da ihren Gesellenbrief. Und wie recht der Mann hat, das beweist die tagtägliche Realität: Im Handwerk und in den mittelständischen Betrieben liegt die Zukunft unseres Landes Baden Württemberg. Dort kann man nämlich sehr schnell auf die rasanten wirtschaftlichen Veränderungen reagieren. Ohne großen Bürokraten-Apparat und ohne ideologische Scheuklappen. Das Handwerk spürt ja auch sofort, wenn sich der Wind dreht. Und zwar sehr direkt: am Geldbeutel. Arbeitsplätze und vor allem Ausbildungsplätze im Handwerk, die sind bisher gottseidank noch keine Mangelware. Und deshalb gilt weiterhin: Handwerk hat goldnen Boden.

PersonDie Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Bayern haben klar und deutlich gemacht: auf die Persönlichkeit kommt‘s in der Politik an. Und nicht so sehr auf den programmatischen Allerweltsbrei der Parteien. Ein Mann oder eine Frau, die sich in der Politik glaubwürdig zeigen, die Fehler eingestehen, Schwächen nicht vertuschen, aber auch ihre Erfolge herausstreichen - die sind gefragt. Wer herumeiert, salbadert, allen alles verspricht und nichts hält - und das als intelligente Politik verkaufen will, der hält das Volk für dumm. Und seltsamerweise: das Volk merkt das, über kurz oder lang, und präsentiert die Quittung prompt: bei der Wahl. Politik scheint manchmal wie das richtige Leben, in dem man den Betrügern ja meistens auch auf die Schliche kommt. Hoffentlich gilt das auch für den 16. Oktober 1994.

FremdeFremde brauchen Freunde - so das Motto der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ in Heilbronn. Multikulturelle Schlemmertage, Gespräche zwischen Christen und Muslime, Kindertheater, Ausstellungen, Auftritte von Tanzgruppen. Das klingt schön, wird vielleicht auch interessant - und ist gut gemeint. Aber wenn‘s ganz hart, super-konkret wird? Was dann? Zum Beispiel in Kirchardt am Neckar, dort wo die syrisch-orthodoxe Kirche ein Zentrum im Industriegebiet bauen will. 38 Meter lang, 20 Meter breit und 14 Meter hoch. „Haben die überhaupt kein Fingerspitzengefühl.“, hieß es in der Ratsrunde. Und eine Rätin meinte gar: “Daß die Kirche ins Industriegebiet geht, sehe ich nicht gerade als Zeichen ihres Integrationswillens an.“ - Jawoll, Frau Oberlehrerin, so isch halt au wieder - mit denne Ausländer. An ihren Worten erkennt ihr sie, die Wahrhaftigkeit der sonst so Fremdenfreundlichen. Anstatt sich über die Bereicherung durch ein neues Gotteshaus zu freuen, wird geschimpft und verhindert. Was würden unsere ach so toleranten Volksvertreter erst sagen, wenn schöne, große Synagogen und Moscheen auf Privatinitiative in unseren Städten und Gemeinden frisch entstünden? Fremde brauchen eben Freunde.

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