Mittwoch, 2. September 2009

Kiliansmännle, 31.08.1994

LmiA 1994
Jagsthausen und die Burgfestspiele der Freiherren von Berlichingen sind seit 45 Jahren fester Bestandteil touristischer Kultur im Grenzbereich zwischen Unterland und Hohenlohe. Was einst nur mit Goethes „Götz von Berlichingen“, der Geschichte des Ritters mit der eisernen Hand und dem derben Spruch (LmiA) begann, ist heuer und in den vergangenen Jahren auch schon zu einem Festival mit amerikanischem Musical mutiert. „Anatevka“ gab's neben dem Traditionsstück „Götz“ im Burghof zu sehen. Und das Musical hatte sogar eine Platzausnutzung von 107, 4 Prozent! Der Götz an Platz zwei lag bei 100,5 Prozent. Wer‘s nicht glaubt, sollte mal nachschauen, wo im Jagsthäuser Burghof überall Menschen sitzen, um dem Spektakel zu folgen. Vom 16. Juni bis zum 21. August 1994 kamen zu 71 Vorstellungen 69.469 Besucher in den Burghof. Mit dieser 45. Spielzeit verabschiedete sich auch die 64jährige Ellen Schwiers, die künstlerische Leiterin, um den Theater-Acker Jagsthausen 1995 von anderen Kräften düngen zu lassen. Vom Turm herab rufe ich der Prinzipalin mit einer Träne im Knopfloch nach: toi, toi, toi und vielen herzlichen Dank für die so erfolgreiche „Schwiers-Aera“.

WeindorfFür Liebhaber schwäbischer Spezialitäten und heimischer Weine ist das Weindorf ein Dorado. 250 verschiedene Badener und Württemberger Tropfen werden kredenzt.
Welches Weindorf im Lande ich damit beschrieben habe? Selbstverständlich das Stuttgarter. Das Heilbronner läßt ja noch auf sich warten. Bekanntlich ist das Stuttgarter nicht nur das größte und schönste im Ländle, es ist auch immer eines der ruhigsten Feste gewesen. Das konnte ich selbst bei meinem Besuch feststellen. Und auch die Polizei, die das Dorfleben in der Stuttgarter Innenstadt wachsam beäugt, mußte bisher nicht einschreiten. Außer einem Taschendiebstahl, keine Vorkommnisse. Warten wir also unter diesen Vorzeichen auf das doch sehr turbulente Heilbronner Weindorf. Bei dem schielen die Veranstalter ja immer mißtrauisch und mit ein bißchen Neid in die so erfolgreiche Landeshauptstadt. Aber da beißt die Maus keinen Faden ab: Stuttgart und seine Region sind halt für viele attraktiver als das im Windschatten der Entwicklung gelegene Heilbronn und Unterland.

Zahlkräftig
Bei uns im Ländle steigen die Gebühren für jeden Scheiß. Aber wo bleibt das Geld, sprich unsere Steuern? 1993 zahlte die alte Bundesrepublik an die neuen Länder im Osten 130 Milliarden Mark. Im laufenden Jahr werden es 136 Milliarden sein. Insgesamt dann bisher seit der Vereinigung von „BRD und DDR“ rund 490 Milliarden. Hinzu kommen noch 390 Milliarden an privaten Investitionen, vornehmlich von Unternehmen aus der „alten“ Bundesrepublik. Die Einheit der Deutschen kostet Geld - und wird weiterhin Unsummen Geld kosten. Die Reichen müssen abgeben, damit die Armen den nahezu gleichen Lebensstandard genießen können. So war das schon in der alten Bundesrepublik. Aber den PDS-Sozialisten und ihren lobhudelnden „Roten Socken“ in anderen Parteien und Institutionen (auch bei uns im Westen) muß immer wieder unter die Nase gerieben werden: ohne dieses West-Geld würde es unseren „Brüdern und Schwestern“ im „Musterland des Sozialismus“ DDR heute verdammt schlecht gehen.

Heilbronn ist ,,in"In den Großstädten Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe aber auch in Heidelberg nahm 1993 die Bevölkerungszahl ab. Das weiß zumindest das Statistische Landesamt Baden-Württemberg. Nicht so in Heilbronn. Das Großstädtle unterm Kiliansturm ist „in“. 2,25 Prozent, das sind 6.476 Menschen, zählte Heilbronn mehr als im Vorjahr. Ähnlich erging es übrigens Freiburg, Pforzheim, Ulm und Reutlingen.

Nordtangente
Im Norden Heilbronns gibt‘s eine Straße, die es eigentlich gar nicht gibt: die Friedrich-Ebert-Straße. Dreißig Meter breit führt sie von der Paul-Göbel-Straße zur Neckarsulmer Straße. Bisher aber ohne Asphalt, sondern als Ackerland. Als in Heilbronn noch großzügig ein Alleen-Gürtel um die Innenstadt geplant war, teilweise auch zur Ausführung gelangte (Ost- und Südstraße), da war die Ebert-Straße noch ein schönes Faustpfand in Händen der Stadtverwaltung. Aber die Stadt Heilbronn versäumte es, die Straße rechtzeitig auszubauen. Dafür müssen sich jetzt die Anwohner der Weinsberger Straße mit lauten und mächtigen Verkehrsströmen herumplagen. Und die Bewohner unterhalb des Wartbergs, die setzen sich dieser Tage schon entschieden mit Unterschriftenlisten gegen den Ausbau der Friedrich-Ebert-Straße zur Wehr. Die allseits gelobte Stadtbahn, die muß ja nicht durch ein in Jahren gewachsenes, ruhiges Wohngebiet fahren. Gell, ihr Stadträte und Rathäusler!

Guter Jahrgang?Unsere Wengerter sind ja meistens Berufs- und Zweckpessimisten. Aber, was den Jahrgang 1994 angeht, lassen sie sich schon mal zu Schwärmereien, wie „bilderbuchmäßige Rebenblüte“, „der Sommer hat die Wetterwünsche rundrum erfüllt“ oder auch „unglaubliches Dickenwachstum“ hinreißen. Mit einem „durchschnittlichen Ertrag bei überdurchschnittlicher Qualität“ rechnet der Direktor des Weinbauverbandes Württemberg, Karl Heinz Hirsch. Nach einer alten Weingärtnerregel brauchen die Trauben von der Blüte bis zur Lese rund 100 Tage. 1994 ist ein Jahr mit einer frühen Traubenblüte. So rechnen die Weinzähne damit, daß die ersten Sorten, vermutlich Müller-Thurgau um den 20. September herum gelesen werden können.

Bewegung
Nun kommt also doch ein bißchen Bewegung in die Stadtplanung für den Bereich ums Heilbronner Theater. Mit dem Abbruch der ehemaligen Weinhandlung Göhring will die Stadt ein Signal setzen. Doch was war nicht alles schon an Versuchen gemacht worden, das Areal am Berliner Platz einer Großstadt würdig zu bebauen. Jetzt soll ein Geschäftszentrum der gehobenen Klasse entstehen. Warten wir es ab. Der großen Sprüche wurden in Sachen. „Berliner Platz“ schon zu viele gemacht.

Miesepeter
Einer, der Heilbronn die Sogwirkung als Oberzentrum der Region Franken nicht gönnt, ist ein Mensch namens Herbert Birkenfeld. Der hat in den Ulmer Geographischen Heften einen Städtevergleich angestellt, in dem Heilbronn gar nicht gut abschneidet. Der gute Mann sieht die Neckarstadt auf dem Weg in die Superprovinz. Die Käthchen- und Weinstadt sei einer der großen Verlierer in Baden-Württemberg. Nun, lieber Herr Birkenfeld, frage ich mich allerdings, warum wollen dann immer mehr Menschen hier leben? Also, nicht so miesepetrig sein!

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