Mittwoch, 2. September 2009

Kiliansmännle, 14.09.1994

Bauen I?Wohl dem, der ein Häusle sein eigen nennen darf. Doch bis dahin ist es oft ein langer Weg. Auf der einen Seite geht es natürlich besonders ums Geld. Baukredite haben ihren Preis. Doch was so manchen Bauherrn ebenso nervös machen kann wie steigende Kreditzinsen, sind die Vorschriften am Bau. Jedes Dachfenster, jede vom Bebauungsplan abweichende Ziegelfarbe, jede Garagengröße muß genehmigt sein. Ein Mitarbeiter vom Heilbronner Bauamt meinte bedauernd, ,,im Vorschreiben sind wir Deutschen Weltmeister." Und wenn die Vorschriften fallen könnten? Immerhin war es 1993 möglich, die Baustelllungsfreiordnung zu nützen, sprich mit abgekürzten Genehmigungsverfahren zu bauen. ,,Wurde kaum genutzt", sagt der Bauamt-Beschäftigte. Es scheint so, als ob wir über unsere Paragraphen und Reglementierungen glücklich sind.

Bauen IIUnd eben um diese Baufreistellungsverordnung könnte es noch Krach geben zwischen den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern auf der einen Seite sowie der Landesregierung auf der anderen Seite. Der allen Unterländern wohl bekannte Dieter Spöri, seines Zeichens Wirtschaftsminister, hätte diese Baufreistellungsverordnung gerne in der Verwaltungsreform platziert. Doch die Schultes fürchten um ihren Einfluß. Wahrscheinlich haben sie recht, denn ein Stückchen kommunale Selbstverwaltung muß ja noch gesichert bleiben.

Dorf des WeinesVon meinem Kiliansturm habe ich eine ganz gute Sicht aufs Heilbronner Weindorf. Auffällig an den ersten Tagen war, daß zu Zeiten, da man sich seinen Weg durch die Gemeinde der Weintrinker erkämpfen mußte, in diesem Jahr noch gut Platz für einen Dorf-Bummel war. Sprich, gegen 19.30 Uhr, war im Weindorf noch nicht so viel los. Woran es liegt, weiß keiner so recht. Selbst dem Schoppe-Fide fehlen da die Worte. Egal, die Weine und Ideen der Wengerter werden von Jahr zu Jahr besser. Und endlich werden auch die besten - freilich auch teuersten Tropfen - kredenzt: St. Urban, St. Kilian, ein Cuvée hier, eine Auslese da. Auffällig allerdings, daß sich die sonst nie um Elitedenken verlegene WG Grantschen mit ihren Edeltropfen zurückhält. Wer ,,SM" oder ,,Grandor" - zwei sehr teuere und gute Rotweine - kaufen wollte, Fehlanzeige. Die blieben im Keller im Weinsberger Tal.

Vorschuß
Wie gesagt, die Grantschener WG ist normalerweise fix. Unlängst hatten die Wengerter von dort wieder so einen Marketing-Gag. Da wird ein Rotwein-Cuvée für Silvester 1999 angeboten. Ja, ja, Sie haben schon richtig gelesen: 1999. Angeblich gibt es zweitausend Flaschen, besser gab, denn ein Teil ist bereits verkauft. Aber, mal unter schwäbisch-fränkischen Weinzähnen gefragt: Würden Sie Geld für einen Wein bezahlen, den Sie erst 1999 bekommen werden? Denn so läuft das im Falle Grantschen: Erst Geld - 100 Mark pro Flasche Silvester-Cuvee - und dann die Ware ein paar Jahre später. Aber was ist, wenn der Wein korkelt. Oder was ist, wenn Grantschen Konkurs anmelden muß, was freilich nicht zu erwarten ist?

StehaufmännchenEr hat es geschafft. Was vor einigen Jahren keiner mehr so richtig geglaubt hat, ist nun Wirklichkeit geworden: Paul Stadel, der ehemalige Schulden-Bürgermeister von Beilstein, mischt nun ganz offiziell wieder in der Kommunalpolitik der Langhans-Kommune mit. Vor einigen Tagen wurde er zusammen mit den anderen neuen Stadträtinnen und Stadträten ernannt. Man darf auf die anstehenden Gemeinderatssitzungen gespannt sein. Stadel wird mit seinem rhetorischen Geschick dem Nachfolger im Rathaus sicher zeigen, wie spannend Debatten sein können. Und Bürgermeister Henzler zeigt Nerven. In Hintergrundgesprächen sagt er schon mal, daß Stadel sicherlich bei den kommenden Bürgermeisterwahlen kandidieren werde. Na und, Herr Henzler?

SpieltriebGrünes Licht für ein Stuttgarter Spielkasino. CDU und SPD haben sich nach monatelangem Tauziehen auf ein Spielbankengesetz geeinigt. Die dritte Spielbank wäre das nach Konstanz und Baden-Baden. Selbstverständlich wurde gleich danach wieder spekuliert, ob nicht Platz für weitere Kasinos im Raum Stuttgart wäre. Ludwigsburg war da immer wieder genannt worden. Von Heilbronn war allerdings nie die Rede. Warum eigentlich nicht? Die Stadt der Krämerseelen, wie sie immer mal wieder boshaft genannt wird, würde damit im Landesvergleich sicherlich gewinnen. Einmal an Geld und dann fiele ja auch etwas für die heimische Hotelerie und Gastronomie ab. Also, Herr Bürgermeister Weinmann, hören Sie sich doch mal bei Ihrem Parteigenossen, dem CDU-Fraktionschef Günther Oettinger um. Vielleicht hat der aus seinem Jackpot etwas für Sie übrig.

Seele
Schätzungsweise 250.000 Menschen wenden sich bei uns in Deutschland jährlich neu an einen Psychologen oder Psychotherapeuthen. Warum? Weil sie unter seelischen Problemen leiden. Sie haben die Qual der Wahl zwischen rund 400 verschiedenen Therapieformen. Ob Psychoana­lyse oder Bio-Energetik, Rebirthing, Psychodrama oder Biofeedback. Übrigens: die wenigsten dieser „Schulen“ haben bisher ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nachwei­sen können. Auch im Unterland treiben viele ihr Handwerk in der Seelenheilkunde. Und die immer wieder gestellte Frage lautet: hilft dem einzelnen Menschen die Einsicht in die Gründe seines Leidens? Paul Watzlawik, renommierter Familientherapeut, meint: Nein. Denn der Blick in die Ver­gangenheit mache viele blind für die Faktoren im „Hier und Jetzt“. Also: Seelenheilkunde, nichts als Quacksalberei und Abzocken? Psychotherapeuten mit Kassenzulassung neigen dazu, wenigstens 25 „abrechnungsfähige“ Sitzungen für die Behandlung zu veranschlagen. Eine ernsthafte Psycho­analyse aber dauert heutzutage mindestens 600 Stunden, meinen Wissenschaftler. Und was sagt der Unterländer Psychopraktiker: was ich in zehn Stunden nicht erreichen kann, bekomme ich auch in 100 Stunden auch nicht hin.

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