Donnerstag, 3. September 2009

Kiliansmännle, 02.11.1994

Spöri-SpitzeDie Bundestagswahl ist knapp vorbei, da beginnt schon der Wahlkampf im Ländle. Obwohl die Landtagswahl erst im Frühjahr 1996 stattfinden wird, hat dieser Tage der SPD-Landesvorsitzende und Fraktionschef im Stuttgarter Landtag Ulrich Maurer sein Interesse an der Spitzenkandidatur für seine Partei angemeldet. Das heißt: er will gegen Erwin Teufel, den CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten ins Rennen gehen. Damit wäre es um Dr. Dieter Spöri als SPD-Spitzenmann in Baden Württemberg geschehen. Der Heilbronner Landtagsabgeordnete, Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident müßte hinter seinen Landesvorsitzenden ins zweite Glied zurücktreten. Ulrich Maurer, im Schattenkabinett von Rudolf Scharping als Bundesinnenminister vorgesehen, hat offensichtlich Gefallen an einem Spitzenamt in der Regierung gefunden. Wenn ich von meinem Turm herab richtig sehe, dann muß Maurer allerdings noch reichlich ackern, um seine Partei in Baden Württemberg über die 30-Prozent-Marke zu bringen. Der Strahlemann Spöri hat‘s bisher nicht geschafft . Und ob der ein wenig linkisch und grob wirkende Maurer das fertigbringt, ist mehr als ungewiß. Die Demontage des Dieter Spöri hat auf jeden Fall begonnen.

GlückwünscheIn einer Demokratie mit Tradition ist es üblich, daß der Verlierer den gewählten Gegner beglückwünscht. Was aber geschah in der Woche nach der Bundestagswahl in Deutschland? Da tobt die Opposition vor Wut und Rache und droht der gewählten Regierung, alles zu tun, um deren Handlungsfähigkeit unmöglich zu machen. Das mag deutsche Tradition sein, aber keine demokratische. Gewählt ist, wer eine Mehrheit vom Volke erhalten hat. Und diese Gruppierung muß regieren, zum Wohle des Volkes. Und die Opposition hat mit ihrer Arbeit im Parlament die beste Gelegenheit, Fehler der Regierung ständig aufzuzeigen, damit Schaden vom Lande abgewendet wird. Was uns Wahlbürgern aber dieser Tage vorgespielt wird, ist niederträchtig und skandalös. Vor allem wenn ich höre, daß es SPD-Funktionäre gibt, die mehr Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Partei und der PDS sehen als mit der CDU. Gute Nacht, westliche Demokratie in deutschen Landen, kann ich da nur laut von meinem Turm rufen.

Ausgeträumt
Viele schöne Träume hegen manche Parteien - auch in der Kommunalpolitik. Aber im Gemeinderat Heilbronns wird langsam klar: Träume und Pläne zerplatzen wie Seifenblasen, wenn sie auf die finanziellen Realitäten unserer Zeit stoßen. Im nächsten Jahr wird - so die Stadtverwaltung - erstmals im Stadtsäckel ein Loch von rund 25 Millionen Mark klaffen. Und wie deckt man Schulden ab? Klar, wie gewohnt: man schröpft den gemeinen Bürger. Gewerbesteuer rauf um 8,6 Prozent. Um 11,5 bzw. 17,3 Prozent sollen die Grundsteuern A und B erhöht werden. Gebühren und Tarife, ohnehin schon stark belastend für uns Steuerzahler - nochmals rauf damit: vor allem bei Müll, Abwasser (+12%), Kindergärten (+27%), Kindertagesstätten (+10%). Einsparen will man allerdings auch - beim städtischen Personal durch eine sechsmonatige Stellen-Wiederbesetzungssperre. Vom Turm herab deucht mir: es wird nicht gespart, sondern weniger ausgegeben. Aber : wer Schulden hat, muß seine Ausgabe radikal kürzen. Denn er hat mit dem Geld aus seiner und der Kinder Zukunft schon gelebt. Wo ein Loch von 25 Millionen klafft, muß drastisch beim Vorhandenen gespart werden, ohne daß der Bürger mit neuen Abgaben belastet wird.

Prost I
Na, denn Prost! Der Kleinkrieg zwischen dem württembergischen Weinbauverband und dem renommierten internationalen Weinmagazin „Vinum“ geht weiter. Ich habe Ihnen ja an dieser Stelle schon davon berichtet, wie Weinbauverbandgeschäftsführer Karl-Heinz Hirsch in einem Artikel seiner Verbandszeitung dem Vinum-Redakteur Rudolf Knoll vorwarf, bei der Vinum-Rotwein-Prämierung sei nicht immer alles in Ordnung. Knoll wollte daraufhin einen Gegendarstellung in Hirschs Verbandsgazette. Doch der bekanntermaßen kantige Weinbauverbandsgeschäftsführer sagte „Nein“ zu Knolls Forderung. Er, Hirsch, habe als Privatmann geschrieben. Knoll durfte nur einen Leserbrief platzieren. Wer freilich dachte, damit sei die Fehde beigelegt, sah sich getäuscht. Knoll kartete in seinem jüngsten Heft nach, bezeichnete Hirsch als „konsequenten Feind unseres Rotwein-Wettbewerbs“. Der Hintergrund des Streits: es geht - wie so oft bei solchen Dingen - ums liebe Geld. Denn durch den immer erfolgreicher werdenden Rotwein-Wettbewerb des Knolls ist der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) eine unliebsame Konkurrenz erwachsen. Die DLG - und zu der gehört Hirschs Verband - führt nämlich seit Jahrzehnten den größten nationalen Weinwettbewerb, die Bundeswein-Prämierung durch. Und gegen die löckt Knoll immer wieder mal den Stachel. Kein Wunder also, daß sich Hirsch wehrt.

Prost IIHermann Hohl, seines Zeichens Präsident des Württembergischen Weinbauverbandes und Chef der Genossenschaft aus dem Weinsberger Tal, hat erkannt, daß der Württembergische Weinbauverband neue Wege gehen muß. Nicht zuletzt wegen der starken europäischen Binnenmarkt-Konkurrenz. Deswegen geht seine WG bei Marketing-Strategien kürzer und klarer an den Käufer heran als dies Mitbewerber tun. Bandwurmfirmierungen auf dem Flaschen-Etikett wirken da eher bieder und hinderlich. Besser erschien Hohl da schon, schlicht und einfach zu sagen „Willsbacher Weingärtner“. Na, denn Prost.

Freie FahrtNicht allzuweit von Wein und Reben flitzen täglich zehntausende von Blechkarossen auf der Autobahn A 6 an Neckarsulm, Heilbronn, Erlenbach und Weinsberg vorbei. Flitzen? Von wegen! Meist stehen auf der rechten Fahrspur die LKW und links schleichen die PKW entlang. Es sind einfach zu viele Autos für zu wenig Straße. Gut so, mag mancher sagen, dann werden endlich die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut. Ein frommer Wunschtraum, den man unlängst auch mal wieder in einer Lokalzeitung lesen konnte. Ziemlich blauäugig überdies, denn bis die öffentliche Alternative endlich spruchreif ist, hat sich die „Wirtschaftsregion Heilbronn“ ganz in den Schatten des großen Bruders „Mittlerer Neckarraum“ verkrochen. Zumal nahezu jeder Industrie- und Gewerbebetrieb für den Ausbau der A 6 ist.

MachtverlustDen Herren der Rathäuser ist sie eine ganz wichtige Sache: die Bauordnung. Nun will ja - ich habe vom Turm herab bereits darüber berichtet - die baden-württembergische Landesregierung die Landesbauordnung ändern. Für die Kommunen bedeutete dies Machtverlust und Geldeinbußen. Denn bis ein Baugesuch einmal genehmigt ist, verdient die jeweilige Gemeinde einige Tausend Mark. Aber es ist gut so, daß den Rathaus-Verantwortlichen hier die Einflußmöglichkeiten eingeschränkt werden sollen. Denn, halten Sie sich fest, wissen Sie wie lange ein Baugesuch bis zur Genehmigung in einer württembergischen Gemeinde wie Heilbronn oder Neckarsulm im Durchschnitt liegt, bis ihm stattgegeben wird: 79 Tage! Zu diesem Ergebnis kamen die Wirtschaftsforscher des Prognos-Instituts. Und die Schultes sollen nur nicht gleich wieder wettern und sagen: „Bei mir in der Gemeinde sind es nur drei Wochen.“ Dem halten bauwillige Bürgerinnen und Bürger entgegen, daß in größeren Städten ein solches Baugesuch auch mal ein Jahr „bearbeitet“ wird.

Streng geheimDas Treffen der Herren war streng geheim: Nur soviel sei verraten. Stattgefunden soll es in einem der vielen Unterländer Besen haben. Es waren fünf Männer im Alter zwischen 45 und 62 Jahren. Allesamt Professoren, die sich mit der Wirtschaftsentwicklung von Städten beschäftigen. Diesmal ging es um Heilbronn und seine Umgebung. In launiger Runde arbeiteten sie ein Stärken- und Schwächenprofil der Käthchenstadt heraus. Stärken: gute Lage zwischen den Ballungsräumen Stuttgart, Mannheim und Frankfurt; gute Autobahnanbindung; Fachhochschule; großes Angebot an Fachkräften; viele Spediteure; hoher Wohn- und Freizeitwert. Und nun die Schwächen: Überlastete Autobahnen; Bekanntheitsgrad der Stadt ist nur gering; Großunternehmen wie Audi werden nicht mit dem Standort in Verbindung gebracht; Flächenengpässe.

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