Dienstag, 1. September 2009

Kiliansmännle, 15.06.1994

Warm anziehen!Eine richtige Überraschung war es eigentlich nicht: Paul Stadel und Rüdiger Peuckert wieder in den Gemeinderäten von Beilstein bzw. Eppingen. Und das mit Spitzenergebnissen. Nun ja, ich glaube Beilsteins Bürgermeister Günter Henzler wird sich warm anziehen müssen. Denn aus den bekannten gut informierten Kreisen war zu hören, daß Stadels Comeback in den Gemeinderat nur eine Art ,,Vorturnerübung" für eine erneute Bürgermeisterkandidatur in Beilstein ist. Und Stadel hat den Charme und die Überzeugungskraft, um dem eher bürokratisch-trockenen Henzler das Leben schwer zu machen.

Öfter mal was neuesJedes Jahr ein neuer Gag bei der Premiere des ,,Götz von Berlichingen" im Burghof von Jagsthausen: Mal ist es die Alarmanlage des Autos unseres damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Roman Herzog, die inmitten des Sturm-und-Drang-Dramas 1993, versehentlich ausgelöst, anfängt zu hupen. Gut in Erinnerung auch der plötzliche Schwächeanfall des Götzdarstellers Rüdiger Bahr vor einigen Jahren. Heuer kam dann der große Regen. Alle Bemühungen der Mimen und der künstlerischen Leiterin Ellen Schwiers halfen nichts, die Premiere mußte abgebrochen werden. Mag einer böses denken und Ellen Schwiers Herzog-Hupe und Götz-Zusammenbruch als Regie-Kniff zuschreiben, den Regen hat die Schwiers bestimmt nicht im Griff.

Freikarten Wer bekommt eigentlich bei Premieren von Theaterstücken, Sportveranstaltungen oder Konzerten Freikarten? Gut, die Presse. Die muß darüber berichten. Der Leser verlangt es zurecht. Aber wer sind die vielen anderen Nichtzahlenden? Einer der Mitorganisatoren von Freilichtaufführungen im Unterland verriet mir unlängst, wie da vorgegangen wird: Einmal seien es die sogenannten Multiplikatoren aus Verwaltungen und Firmen. Und dann natürlich die vielen Freunde der Veranstalter. Manch einer treibt es mit der Freigiebigkeit allerdings arg weit. Da kann es dann geschehen - wie jetzt bei einem regionalen Kulturanbieter - daß die Ausgabe von Freikarten ein tiefes Loch in die Kasse reißt. Zum Ärger der Schauspieler übrigens. Denn an deren Gagen wird zuerst gekürzt. Vielleicht liegt solch fahrlässiges Finanzgebaren aber auch festgefahrenen Strukturen in manchen Theaterhäusern. Boshaft gefragt: Kann ein Theater denn noch flott, innovativ, experimentierfreudig sein, wenn seit Jahrzehnten die gleiche Mannschaft am Ruder (Intendanz, Kassenverwaltung, Werbung und Spielplanung) ist? Man könnte da auch von der Verbeamtung der Kultur sprechen.

Viel WirbelDa langt einer aber hin: Vom Kollaps unserer Autogesellschaft schreibt Hermann G. Abmayr in seinem Buch ,,Der große Crash". Als Beispiel hat der Stuttgarter Journalist das Unterland, besser die Region Heilbronn/Neckarsulm ausgewählt. Klar, hier verdienen tausende von Menschen ihr Brot durch Jobs in der Fahrzeugbauindustrie oder der Zuliefererbranche. Abmayr spricht da vom ,,Zusammenbruch". Ein düsteres Bild. Nun muß man wissen, daß der Journalist Abmayr als überzeugter Kritiker des Fortschritts gilt. Zudem ist er bestimmt kein konservativer, sondern eher ein linker Meinungsmacher. Denn nichts anderes macht er in seinem Buch: Meinung gegen das Auto. Bedenklich nur, daß sich die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung hergegeben hat, dieses Werk zu unterstützen. Bei aller Liberalität müßte doch auch die Gewerkschaft ein Interesse daran haben, daß der Automobilbranche nicht ständig am Blech geflickt wird - oder?

WachsweichEher wachsweich äußert sich Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Dr. Dieter Spöri in dem Buch ,,Der Crash". Zwar poltert der SPD-Landtagsabgeordnete des Stadtkreises Heilbronn gegen die Unternehmer, ,,die in der Aufschwungphase der 80er Jahre wichtige Fertigungs-, Organisations- und Innovationsprobleme verschlafen haben", aber wie man es hätte besser machen können, darüber läßt sich Spöri nicht aus. Ganz daneben liegt der Sozialdemokrat wohl mit seiner Vision fürs Jahr 2000: Er sieht den Südweststaat als eine ,,Region moderner Verkehrstechnologien - angefangen vom energiesparenden Pkw über das Elektromobil bis hin zum modernen Öffentlichen Personennahverkehr. Also, lieber Herr Spöri, wie das alles in sechs Jahren zu machen sein soll, müssen Sie mir mal verraten. Das hört sich eher so an, als ob da die Gedanken und Ideen des geschaßten Ex-Ministerpräsidenten Lothar Späth - genannt ,,Cleverle" - angenommen wurden. Nur war dem klar, daß das so schnell nicht gehen kann. Und überhaupt, ,,moderner öffentlicher Personennahverkehr". Meinen Sie, Herr Spöri, damit, daß man in viele Landkreisgemeinden per Bus in den späteren Abendstunden kaum noch kommt, wenn man in Heilbronn eingekauft hat?

Stadttheater - Spitze!
Das Stadttheater in Heilbronn kann auf die noch laufende Spielzeit mit Stolz schon jetzt zurückblicken. Mehr als zweihunderttausend Besucher sind gezählt. Und der Spielplan für die kommende Spielzeit 1994/95 verspricht neue Rekorde. Mit Shakespeares „Der Sturm“ gibt‘s am 13. September den Premierenauftakt. Und Ende November kommt dann ein Theaterstück über das heutige Heilbronn zur Uraufführung. „Der Weg zum Bahnhof“ heißt es und wurde von der Berliner Autorin Irina Liebmann als Beitrag des Theaters zum 50. Jahrestag der Zerstörung Heilbronns am 4. Dezember 1944 konzipiert. Mit der Regisseurin Karin Drechsel zusammen überarbeitet sie zur Zeit ihr Drama, das „mit exemplarischen Episoden aus dem Leben in der deutschen Provinz“ gewürzt wird.

NeckarfestDas war ein Festgetümmel - am Wochenende auf dem Heilbronner Neckarfest. Da gab es was zu sehen auf den trüben Fluten des Flusses. Stolze Kapitäne zeigten ihre Kreationen und Navigationskünste zur Gaudi der zahlreichen Zuschauer. Ob es nun 100 000 oder knapp unter 200 000 Besucher waren, das konnte keiner so recht ermessen. Und daneben Speis und Trank als Ergänzung zur visuellen Freude. Und ein paar Rempeleien und Schlägereien - die gehören offenbar zu Massenveranstaltungen dieser Art wie das Salz zur berühmten Suppe. Gottseidank diesmal ohne Tote. Heilbronn als Feschdles-Städtle hat seinem Namen mal wieder alle Ehre gemacht.

Gemeinderat
Gewählt ist gewählt. Heilbronn als Rep-Hochburg mit nahezu jeweils zehn Prozent Wählerstimmen bei den Europa- und den Kommunalwahlen, das ist landesweit gesehen schon ein Hammer. Am Hufeisentisch im Großen Ratssaal gibt's jetzt 13 Sitze für die CDU, 13 auch die für die SPD, Reps und Grüne sind mit jeweils vier und Freie Wähler und die FDP mit je drei Sitzen vertreten. Ein Gemeinderat, der es in sich hat. Komisch auch: in den Hochburgen der SPD in Heilbronn und seinen Vororten sind auch die Reps stark. Und dort, wo die CDU ihre Spitzenwerte erzielte, haben die Grünen ebenfalls kräftig abgesahnt. Geändert hat sich eigentlich nur, daß die CDU einen Sitz an die Freien Wähler abgab. Ansonsten bleiben die Kräfteverhältnisse im Rathaus wie zuvor: unbefriedigend.

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