Dienstag, 1. September 2009

Kiliansmännle, 29.06.1994

OzonversuchEin „Testival“ sei der viertägige Ozon-Modellversuch in Heilbronn und Neckarsulm gewesen. Das verkündete der baden-württembergische Umweltminister Harald B. Schäfer im Neckarsulmer Rathaus, dem Lage- und Pressezentrum des weltweit einmaligen und ersten Ozonversuchs. Und eine „glatte Ohrfeige für die Dauerbremser in der Verkehrs- und Umweltpolitik“. Wen er da wohl gemeint hat? Etwa andere Minister aus der Großen Koalition im Ländle? - Besser schnaufa hot ma ja scho könne. Sagten mir viele Leut in Stadt und Land. Trotz der Sauhitz. Und ruhiger war‘s auf den Straßen auch. Vor allem auf der Autobahn bei Neckarsulm - dank Tempolimit 60 km/h. Jetzt will der Neckarsulmer OB Volker Blust das sogar zur Regel machen - und die teuren Schallschutz-Wände sparen. So zieht man auf schwäbisch Schlüsse aus einem Wissenschaftsversuch.

Ozon?Eigentlich sollte der Versuch ja das bodennahe Ozon verringern. Aber die Verminderung der Schadstoffe haben beim Ozon nicht so richtig geschnackelt. Die Werte waren normal, trotz Schadstoffminderung um rund 40 Prozent. Wenn in einem halben Jahr alles ausgewertet sein wird, vielleicht sind sie dann runtergegangen - die Ozonwerte. Wissenschaftler haben ja schon viel bewiesen. Der Minister Schäfer hat sogar gemeint, die Ozonwerte könnten sogar hochgehen, trotz Verringerung der Schadstoffe. Ozon, das ist ja auch was ganz verzwicktes, diese komische Gas. Das will überhaupt nicht so wie wir alle gedacht haben: erst schönes Sommerwetter, dann Ozonversuch - und weg ist der Umweltschädling.

Smog-Alarm
Überall, wenn man von außerhalb nach Heilbronn und Neckarsulm kam, konnte man auf den Schildern lesen: Smog. Beim Frühstücksfernsehen von RTL hieß es sogar, die Innenstädte von Heilbronn und Neckarsulm sind wegen „Smog-Alarm“ für den gesamten Verkehr gesperrt. Das ist schon richtig: die Smog-Verordnung wurde für den Ozon-Versuch angewandt. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit - die juristische. Ozon-Versuch klingt erstens viel schöner, eben positiver - und schreckt zweitens die vielen Besucher des Unterlandes nicht so ab. Beim Smog-Alarm könnte man ja meinen, wir seien hier schon die Nachfolger vom Ruhrgebiet in seinen schlimmsten Zeiten. Das war schlechte Werbung für Heilbronn und Neckarsulm. Dabei wollten wir doch weltweit einmalig sein mit dem sonnigen Versuch.

Unbekannte Stadt?
Viel wurde nie darüber geredet oder gar geschrieben. die Rede ist von der Wirtschaftsentwicklungskonzeption der Baseler Prognos AG. In dem umfangreichen Papier vom September 1992 heißt es zu den Schwächen des Standortes Heilbronn auch, daß „der überregionale Bekanntheitsgrad der Stadt Heilbronn zu wünschen übrig läßt.“ Will heißen: Heilbronn ist eine unbekannte Großstadt. Nun ja, beim zu Ende gegangenen Ozonversuch hätte Heilbronn etwas fürs Image tun können. Aber die Lenker und Denker der Stadt haben es mal wieder verpaßt. Die Denker und Lenker der „Stadt der Krämerseelen" überließen voll und ganz der Nachbargemeinde Neckarsulm das Zuckerle, Lagezentrum für den Versuch zu sein. Im Neckarsulmer Rathaus hat man sich die Hände gerieben. Haben die Neckarsulmer dem „großen Bruder" doch wieder mal eins auswischen können. Aber der Heilbronner Gemeinderat hat sich ja mehrheitlich gegen den Ozon-Versuch ausgesprochen - und der Stadt waren damit die Hände gebunden. Sind wir froh daß der Name Heilbronn wenigsten überall genannt wurde. Mit Neckarsulm zusammen, das ja jeder im Lande kennt, sind wir gut Trittbrett gefahren.

Lebensader
Das Neckarfest hat es gezeigt. Am Neckar ist was los. Wenn die Stadt, die Vereine und die vielen engagierten Bürger nur wollen. Der Fluß müßte in städtebaulicher Hinsicht noch viel mehr als Lebensader von Heilbronn zum Erlebnisraum gemacht werden. Was in diesem Bereich nahezu völlig fehlt, sind Freizeitangebote für die Familien, Gaststätten, Cafés, mehr Einzelhandelsgeschäfte. Dazu gehört sicherlich eine Fassadenkosmetik auf breiter Front, die durch finanzielle Anreize der Stadt an die Hausbesitzer forciert werden könnte. Allein Bankfilialen, Versicherungsgebäude usw. machen das Leben in einer Stadt nicht aus. Was in der Innenstadt und an den Neckarufern gezielt weiterentwickelt werden müßte, sind Treffs für die Bevölkerung. Da wären Gemeinderat und Verwaltung gefordert. Bestes Beispiel für Nachholbedarf in Sachen Städtebaupolitik ist der Platz neben dem Theater. In anderen Gemeinden nennt man so etwas Baulücke - und behebt sie schnell. In Heilbronn ist der Platz jetzt im zwölften Jahr schon ein Schandfleck.

Fehlanzeige Wirtschaftsförderung - und die hat Heilbronn dringend nötig - heißt auch, daß die Verwaltung etwas für ,,Kunden" von außen tut. Kundenorientierung muß die Maxime für die gesamte Arbeit der Stadtverwaltung im Sinne eines Dienstleistungsunternehmens sein. Das betrifft die Entscheidungsebene ebenso wie das tägliche Verhalten der städtischen Bediensteten im Umgang mit Bürgern und Wirtschaft. Wenn aber ein interessierter Unternehmer zur Antwort bekommt „Wenden Sie sich doch an die Industrie- und Handelskammer", dann ist das zwar richtig, aber besonders engagiert hat dieser Heilbronner Mann aus der Stadtverwaltung sicher nicht gehandelt.

Nachgehakt
Was ist denn nun mit der Aktion „Zaun weg!" Herr Oberbürgermeister Dr. Manfred Weinmann? Immer noch ist die Waldheide nicht für Menschen geöffnet, die dort spazieren wollen. Dürfen Sie die Umzäunung nicht niederreißen oder wollen Sie nicht? Es wird langsam Zeit, die Amerikaner sind nicht mehr da. Das haben Sie doch sicher auch schon gemerkt.

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