Dienstag, 1. September 2009

Kiliansmännle, 04.05.1994

Zu teuerDie Sonne lachte vom Himmel, nicht nur am vergangenen 1.-Mai-Wochenende. Da bin ich vom Turm gestiegen und habe eine kleine Festles-Tournee durchs Unterland gewagt. Hat mir gut gefallen. Am Abend war ich zwei Kilo schwerer. Doch eines ist mir aufgefallen: Die Preise für die gebotenen Köstlichkeiten galoppieren davon. Wenn beispielsweise ein daumen-ballengroßes Schweineschnitzel acht Mark kostet oder das Fläschle Sprudel für vier Mark den Besitzer wechselt, dann ist das unverschämt. In Mißkredit gerät dann nicht nur der einzelne Verkäufer, sondern das ganze Fest. Schade.

Schlemmen In Heilbronn wurden dieser Tage die achten Schlemmertage mit viel Musik ganz traditionell auf der Rollschuhbahn am Europaplatz über die Bühne gezogen. Köche aus Gourmet-Tempeln gaben dort allerdings nicht ihre Visitenkarten ab. Wirte aus der Käthchenstadt zeigten ihre Kochkünste. Und vielleicht deshalb kamen so um die 18.000 Menschen. Sagen die Veranstalter. Und sinds zufrieden. So isch halt au widder. Mir Heilbronner feiern halt gern. Und da werden Schlemmertage eben zu einem vorgezogenen April-Weinfest mit Bier und das, was wir für kulinarisch und genießbar halten. Selbst die Kulturtage demnächst werden wir wieder in die altbekannte Richtung stemmen: als Weindorf für Interlellis.

ErinnerungenDa werden bei mir Erinnerungen wach: Schon einmal, nämlich in den achtziger Jahren befand sich die Audi AG in Neckarsulm auf Erweiterungskurs. Da plante das Autowerk seinen Gleisanschluß Nord, der eine reibungslose Auslieferung der Fahrzeuge per Eisenbahn garantieren sollte. Damals rangelten die Verantwortlichen von Audi, der Stadt Bad Friedrichshall und Neckarsulm heftig um die benötigte Fläche an Grund und Boden. Ach ja, die Bauern waren auch noch dabei, denn es ging um gutes Ackerland. Die Kuh vom Eis brachte einst der beliebte Audi-Werksleiter Gerd von Briel, der bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben kam. Es könnte sein, daß für den jetzt geplanten In­dustriepark auf Friedrichshaller Markung wieder ein durch­setzungsfähiger aber auch kompromißbereiter Verhand­lungsführer gebraucht wird. Stark auf der kommunalen Seite ist sicher Friedrichshalls Schultes Peter Knoche. Aber wer übernimmt den Part bei den Autobauern?

Oper modern
Das Heilbronner Theater bietet musikalisches Theater als Gastspiel - aus Deutschland und anderen Teilen der Welt. Gute und schlechte, erfolgreiche und floppende Operngast­spiele. Bis vor wenigen Tagen die Oper „Ubu rex“ des polnischen Komponisten Penderecki. Eine „opera buffa“ soll‘s gewesen sein. Aber so ist das halt mit der akademi­schen Kunst: man geht hinein, weil das Abonnement es vorsieht. Und selbstbewußt erklärt der Intendant der Staats­oper Lodz Antoni Wicherek: „Wir wollen kein Konsum­publikum.“ Na bitte, am besten die Oper gleich nur am Konservatorium in Stuttgart aufführen. Und zwar nur dort. Weil in diesen heilgen Hallen lediglich gelehrt und gelernt, nicht „konsumiert“ wird.

Hano!Warum überhaupt zeitgenössische Opern? Mozart mußte sich mit seinen genialen Werken ebenso wie Verdi seinen Lebensunterhalt verdienen, also beim zahlenden Publikum so ankommen, daß die Familie davon leben konnte. Heute sind viele akademische Komponisten Professoren - und ihre Opern beim Publikum zumeist erfolglos. Auch in deutschen Staats- und Stadttheatern. Aber diese Theater leben ja von der Subvention. Gefragtes Musiktheater unserer Zeit: „Zauberflöte“, „Hänsel und Gretel“, „Carmen“, „Fledermaus“, „Zigeunerbaron“, „Lustige Witwe“, „Das Phantom der Oper“ und „Cats“. So die Highlights des Deutschen Bühnenvereins. Mehr als zwei Millionen Menschen sahen in der Saison 1992/93 die Webber-Musicals. Das sind „die Opern unserer Zeit“. Und davon können sogar viele private Theater gut leben. Und wenns Heilbronner Theater ein volles Haus haben will, dann wird halt auch ein Musical gespielt. Möglichst eines, das schon an einem Privattheater am Broadway über Jahre erfolgreich lief. Gell, Herr Wagner!

Junges Publikum?Wenn Theatermacher erfolglos sind, dann behaupten sie immer ein irgendwie „junges Publikum“ wünsche die seltsamen Stücke, die sie auf den Spielplan setzen. ja, da stellt sich die Frage: wo wird heutzutage aktuelle theatralische Kunst fabriziert, die den Leuten unter den Nä­geln brennt? Garantiert nicht in den Museen des Theaters - den hochsubventionierten Staats- und Stadttheatern. Schon eher in Privattheatern, im Fernsehen, bei Live-Konzerten und im Kino. Zahlen: 200.000 gehen pro Jahr in Heilbronn maximal ins Theater, 600.000 ins Kino. Theater, die ohne Staatsknete nicht überleben könnten, sollten sich auf ihre Hauptaufgabe besinnen: das Kulturerbe angemessen pflegen. Nirgendwo steht geschrieben, daß die teuren Häuser verpflichtet sind, beamteten Professoren und Lehrern ein Zubrot zukommen zu lassen, indem sie deren akademisch-verfremdeten Stücke zur Aufführung bringen - ohne Erfolg beim Publikum.

Aufschwung fördern
Ein Arbeitskreis Wirtschaftsraum Heilbronn soll versuchen, das Unterland attraktiv als Wirtschaftsstandort erscheinen zu lassen. Jetzt sind IHK und Handwerkskammer ausgestiegen. Und die Stadt Heilbronn gleich hinterher. Recht so. Wenn's um Ansiedlung von Industrie und Handwerk geht, dann gibt's mehr als genug Beratung - nicht nur in der Region. Und die Gemeinden liegen dann im gesunden Wettstreit miteinander. Impulse sind gefragt. Und die kommen für die Wirtschaft selten aus Amtsstuben. Im Gegenteil: von dort wird oft entscheidend behindert. Die Industriemesse in Hannover ist ja Konjunkturbarometer für die Wirtschaft in Deutschland. Und die Messe hat einmal wieder Glück gehabt. Mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings kamen auch erste Boten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Nach der Messe in Moll im vergangenen Jahr sind jetzt Töne in Dur von den Beobachtern ausge­macht worden. Auch die IHK Heilbronn meldet von der heimischen Wirtschaftsfront angenehme Töne. Umsatzplus in der Region beim verarbeitenden Gewerbe 3,6 Prozent in der ersten beiden Monaten. Exportplus 13,5 Prozent. Ein Minus von 7,2 Prozent allerdings gab‘s bei den Beschäftig­ten im verarbeitenden Gewerbe. Zarte Keime für den Auf­schwung, die hoffentlich nicht durch übermäßige Abgaben-Belastungen von Bürokraten in deutschen Parlamenten und Amtsstuben zertreten werden.

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