Mittwoch, 2. September 2009

Kiliansmännle, 21.09.1994

Babystrich?,,Keine Macht den Drogen", fordern Sportler in großen Zeitungsanzeigen. Recht haben sie. Auch in Heilbronn bekämpft die Polizei Dealer so gut es geht. Nicht ganz neu, aber um so erschreckender, wenn etwas dran sein sollte, sind die Gerüchte vom sogenannten ,,Babystrich" im Bereich Schillerstraße/Shoppinghaus. Hier bieten angeblich Mädchen und junge Frauen ihre Dienste an. Der Grund: sie brauchen Geld, um sich Drogen kaufen zu können. Eine verkommene an Werten arme Gesellschaft, die solche Entwicklungen nicht verhindern kann.

Fläche gefragtEine Stadt von der Größenordnung Heilbronns mit einem entsprechenden Bestand an Verarbeitendem Gewerbe (Industrie, Handwerk) und Lager- und Transportgewerbe benötigt nach Erfahrung von Wirtschaftsforschungsinstituten allein für die Bestandpflege rund 15 bis 20 Hektar verfügbare Gewerbefläche. Verfügbar heißt, daß Investoren sich nicht erst lange mit unliebsamen Genehmigungsverfahren herumärgern müssen. Am besten ist, wenn die Gewerbeflächen im Besitz der Kommune sind. In Heilbronn fällt auf, daß besonders bei der ansässigen Wirtschaft kleine und mittlere Flächen (100 bis 5000 Quadratmeter) vonnöten sind. Auf eine Prognos-Umfrage antworteten beispielsweise 60 Prozent der befragten Unternehmen, daß sie ihren Standort unter dem Aspekt Flächenerweiterung als schlecht beurteilen. Nur sieben Prozent antworteten mit ,,gut". Deshalb ist es schon gut, daß sich nun auf dem alten Weipert-Gelände etwas tut.

Abgesahnt
Ein alltägliche Fall: Eine Gemeinde möchte größer werden und weist deshalb Bauland aus. Eigentümer, die Grund und Boden in dem künftigen Baugebiet besitzen freuen sich über solch kommunales Vorhaben. Doch nicht immer profitiert der Grundbesitzer von seinem Äckerle zu hundert Prozent. Denn die Kommunen brauchen ja auch Platz für Straßen, Zufahrtswege, Spielplätze, Kindergarten und und und. Diese sogenannte Ausgleichsfläche wird beim privaten Grundstückseigner geholt. Daß sich die Gemeinden manchmal über Gebühr beim Privatmann bedienen, zeigt der Fall Leingarten. Hier wurden 50 Prozent Ausgleichsfläche abgezwackt. Üblich sich 30 Prozent.

Au Backe!Es ist ihr Job: Zahnärzte stopfen Löcher. Doch nun frißt das Gesundheitsstrukturgesetz den Dentisten ein Riesenloch in den Geldbeutel, das die Mediziner nur schwerlich stopfen werden können. Aus dem Gesamtbudget kann der einzelne Zahnarzt nämlich nur maximal soviel Geld erhalten, wie er in den Jahren 1991 und 1992 durchschnittlich umgesetzt hat. Wer mehr Leistungen erbringt, muß mit finanziellen Abstrichen rechnen. Die Zahnärzte - auch im Unterland - wollen eine Leistungseinschränkung für die Patienten. Au Backe, das gibt Ärger. Denn, werte Herren und Damen mit dem Bohrer, falls Sie es noch nicht mitgekriegt haben sollten: Deutschland spart. Die meisten Angestellten und Arbeiter haben in den vergangenen Jahren Reallohnverluste hinnehmen müssen. Warum nicht auch Sie?

MarktEin Treffen der Theater- und Kleinkunstszene sollte es am vergangenen Wochenende werden: der erste Theatermarkt auf dem Kiliansplatz in Heilbronn. Eine bunte Mischung aus Laien und Profis bot der Theaterverein Heilbronns auf. Vierzehn Kleinkunstbühnen, Freilichtspiele und andere Kunst-Organisationen zeigten Ausschnitte ihres Könnens. Appetithäppchen - sozusagen. Was ich von meinem Turm aus sehen konnte, das war lustig, heißa und gekonntes Hoppsassa. Wenn's auch nicht immer den Profi-Ansprüchen genügte, der Versuch war's wert. Es ist halt auch schwer, mühselig einkaufende Mitbürger noch zusätzlich mit hausgemachter Kultur zu versorgen.

BadenerhofZehn Hektar ist sie groß: die Fläche der ehemaligen Badener-Hof-Kaserne der US-Streitkräfte in Heilbronn. Jetzt sind die Soldaten weg - und die Stadt Heilbronn hat das Areal für 11,5 Millionen Mark vom Bund gekauft. Die Abbrucharbeiten sollen im Sommer 1995 abgeschlossen sein. Und dann wird die Planung vorangetrieben: drei Hektar für Gemeinflächen, sechs Hektar sollen verkauft werden. Davon werden auf vier Hektar Sozialwohnungen entstehen, der Rest Privatbauten. Aber erst 1997 können die ersten Bauplätze unter den Hammer kommen. Wer weiß, wer weiß, was bis dahin so alles geschieht. Und wie dann das Gelände der einstigen Kaserne aussehen wird, das sollte der geruhsame Bürger mal mit den heutigen Plänen verglichen.

Diskette
Partei- und Regierungsprogramme auf Diskette für den Computer - warum nicht! Das spart Papier, diesen ach so wertvollen Rohstoff. Die CDU verschickt derzeit bundesweit ihr Regierungsprogramm für die Zeit nach dem 16. Oktober an Schulen. Damit der Gemeinschaftskundeunterricht lebendiger gestaltet werden kann. Die SPD spricht von einem „Skandal“ - aber nur im Unterland. Warum denn, liebe Genossen? Es wäre doch schön, wenn Schüler und Lehrer die Regierungsprogramme beider großer Volksparteien auf Diskette hätten. Sie könnten dann systematisch mit Hilfe ihres Computers die Partei-Versprechen jetzt miteinander vergleichen. Und nach der Wahl immer mal wieder nachschauen, was davon gehalten oder gebrochen wird. Also auf, auf: das SPD-Regierungsprogramm auf Diskette gezogen und an die Schulen in Deutschland versandt. Vor oder nach der Wahl. Ein Vergleich lohnt sich immer.

Herbst
Das 25. Heilbronner Weindorf wird vom 7. bis zum 15. September 1995 stattfinden. Das 24. Weindorf in der Käthchenstadt war an seinen neun Tagen weniger erfolgreich als seine Vorgänger. Statt wie im vergangenen Jahr 300.000 waren es heuer nur 250.000 Besucher, wie immer die auch gezählt wurden. Bis zu 25 Prozent wurde weniger an den Weinständen verdient. Grund: das schlechte Wetter - sagen die Veranstalter. Wenn der Hintergrund aber lautet, daß die Heilbronner nicht mehr soviel saufen, sondern mehr genießen wollen, dann kann's ja den Weingärtnergenossenschaften nur recht sein. Weinzähne, die das edle Gesöff schlotzen und nicht wie Wasser herunterschütten, die benehmen sich dann auch ordentlicher, pinkeln nicht in jede erreichbare Hausecke, werfen keine Flaschen zu Scherben auf die Straßen und torkeln nicht trunken und grölend durch die Gassen der ansonsten ruhigen Stadt. „Verfeinern“ will Bernhard Winkler das Weindorf 1995. Ich unterstütze ihn fahneschwenkend von meinem Turm. Denn ich bin ja der Hauptbetroffene beim alljährlichen Heilbronner Weindorf, das eigentlich kein Rausch-Fest sein sollte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen