Dienstag, 1. September 2009

Kiliansmännle, 13.07.1994

Scharlatane Scharlatane sind, wie der Name sagt, vor allem Marktschreier. Sie treten in der Welt der Kultur, der Politik oder der Wirtschaft in letzter Zeit vermehrt auf. Aber ihre Faszination - sie läßt sich mit moralischen Kategorien nicht fassen. Den geheimen Erwartungen der Menschen kommen die Scharlatane entgegen, lautstark und höflich - und im Gegensatz zu ihren aufklärerischen Kritikern und Konkurrenten wissen sie zu beeindrucken und zu amüsieren. Die Lust am Betrug und am Selbstbetrug eint Täter und Opfer. Nicht selten glaubt der Scharlatan selbst, was er sagt. Das lernt er im Lauf seiner Karriere - nicht zuletzt weil seine Kundschaft ihm fanatisch anhängt. Dabei ahnen alle die Gefahr. Doch die Hoffnung auf eine wunderhafte Wendung scheint ihnen allen immer noch trostreicher als der Trott des gesunden Menschenverstandes. Wissen Sie, wen ich damit in Heilbronn und Umgebung meine?

Unbekannte Stadt?Viel wurde nie darüber geredet oder gar geschrieben. die Rede ist von der Wirtschaftsentwicklungskonzeption der Baseler Prognos AG. In dem umfangreichen Papier vom September 1992 heißt es zu den Schwächen des Standortes Heilbronn auch, daß „der überregionale Bekanntheitsgrad der Stadt Heilbronn zu wünschen übrig läßt.“ Will heißen: Heilbronn ist eine unbekannte Großstadt. Nun ja, beim Ozonversuch hätte Heilbronn etwas fürs Image tun können. Aber die Lenker und Denker der Stadt haben es mal wieder verpaßt. Die Stadträte der „Stadt der Krämerseelen" überließen voll und ganz der Nachbargemeinde Neckarsulm das Zuckerle, Lagezentrum für den Versuch zu sein. Im Neckarsulmer Rathaus hat man sich die Hände gerieben. Haben die Neckarsulmer dem „großen Bruder" doch wieder mal eins auswischen können. Sind wir froh, daß der Name Heilbronn dank Ozon-Versuch in diesen Tagen noch landauf-landab genannt wird. Mit Neckarsulm zusammen, das ja jeder in Deutschland kennt, sind die Heilbronner also gut Trittbrett gefahren.

Viel Wirbel
Da langt einer aber hin: Vom Kollaps unserer Autogesellschaft schreibt Hermann G. Abmayr in seinem Buch ,,Der große Crash". Als Beispiel hat der Stuttgarter Journalist das Unterland, besser die Region Heilbronn/Neckarsulm ausgewählt. Klar, hier verdienen tausende von Menschen ihr Brot durch Jobs in der Fahrzeugbauindustrie oder der Zulieferbranche. Abmayr spricht da vom ,,Zusammenbruch". Ein düsteres Bild. Nun muß man wissen, daß der Journalist Abmayr als überzeugter Kritiker des Fortschritts gilt. Zudem ist er bestimmt kein konservativer, sondern eher ein linker Meinungsmacher. Denn nichts anderes macht er in seinem Buch: Meinung gegen das Auto. Bedenklich nur, daß sich die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung hergegeben hat, dieses Werk zu unterstützen. Bei aller Liberalität müßte doch auch die Gewerkschaft ein Interesse daran haben, daß der Automobilbranche nicht ständig am Blech geflickt wird - oder?

Wachsweich
Eher wachsweich äußert sich Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Dieter Spöri in dem Buch ,,Der Crash". Zwar poltert der SPD-Landtagsabgeordnete des Stadtkreises Heilbronn gegen die Unternehmer, ,,die in der Aufschwungphase der 80er Jahre wichtige Fertigungs-, Organisations- und Innovationsprobleme verschlafen haben", aber wie man es hätte besser machen können, darüber läßt sich Spöri nicht aus. Ganz daneben liegt der Sozialdemokrat wohl mit seiner Vision fürs Jahr 2000: Er sieht den Südweststaat als eine ,,Region moderner Verkehrstechnologien - angefangen vom energiesparenden Pkw über das Elektromobil bis hin zum modernen Öffentlichen Personennahverkehr. Also, lieber Herr Spöri, wie das alles in sechs Jahren zu machen sein soll, müssen Sie mir mal verraten. Das hört sich eher so an, als ob da die Gedanken und Ideen des geschaßten Ex-Ministerpräsidenten Lothar Späth - genannt ,,Cleverle" - angenommen wurden. Nur war dem klar, daß das so schnell nicht gehen kann. Und überhaupt, ,,moderner öffentlicher Personennahverkehr". Meinen Sie, Herr Spöri, damit, daß man in viele Landkreisgemeinden per Bus in den späteren Abendstunden kaum noch kommt, wenn man in Heilbronn eingekauft hat?

Weinmann 60Heilbronns Oberbürgermeister Dr. Manfred Weinmann feiert an diesem Sonntag (12. Juli) seinen 60. Geburtstag. Er hat es nicht immer leicht gehabt mit seinen Heilbronnern. Obwohl er ein Sohn der Stadt ist. Bei der seiner zweiten OB-Wahl: nur knapp über 50 Prozent der Stimmen. Aber das ist vergessen. Jetzt wird gefeiert. Ab 11 Uhr lädt die Stadt die Bürgerschaft zu einem Geburtstagsempfang ins Foyer des Heilbronner Stadttheaters. Geschenke will der OB allerdings keine. Wer etwas ausgeben will, so der Wunsch Manfred Weinmanns, soll Leuten ein Geschenk machen, die wirklich Not leiden. Vom Turm herab: herzlichen Glückwunsch und eine glückliche Hand beim Verwalten und politischen Führen der Käthchenstadt, der es in diesen Krisenzeiten noch am Kick mangelt. Vor allem wirtschaftlich und beim Verkehr..

Mehr Arbeitslose
Alles spricht im Lande vom leichten Aufschwung in der Wirtschaft. Die Zahlen vom Arbeitsmarkt lassen das Gegenteil vermuten. Arbeitslosenquote im Juni 1994 im Westen Deutschlands 8,0 Prozent, im Juni 1993 7,0 Prozent. Arbeitslosenquote im Osten - 14,4 Prozent Juni 1993, 14,8 Prozent im Juni 1994. Und in Heilbronn? 8,1 Prozent Arbeitslose im Juni 1994, 7,1 Prozent im Juni 1993. Allerdings - es ist eine leichte Verbesserung der Auftragseingänge bei vielen Firmen und ein Rückgang der Kurzarbeit festzustellen. Beim größten Arbeitgeber des Unterlandes, der Audi AG in Neckarsulm, gehts allerdings im Gegensatz zu anderen deutschen Autofirmen 1994 nicht bergauf. Im Gegenteil. Ein Vorstandschef wurde deshalb in diesem Jahr schon gefeuert. Nachfolger Dr. Herbert Demel muß jetzt endlich drangehen, nicht nur gute Autos zu bauen, sondern sie auch verkaufen. Denn Audi will ja wieder Klassenbester in Qualität, Design, Service und Kosten werden.

Tief und laut
Die Hitzewelle hat einen Vorteil: morgens kann man sein Tässchen Kaffee auf dem Balkon schlürfen - so man einen hat. Ein laues Lüftchen weht, der Himmel ist klar, die Sonne lacht. Mir ist allerdings am Montagmorgen das Lachen vergangen. Gerade als ich meine Kaffeetasse an den Mund setze, knallt mir ein infernalischer Lärm in die Ohren - und das gleich zweimal hintereinander. Gerade noch sehe ich zwei dunkle Schatten über den azurblauen Himmel huschen - Tiefflieger. Jetzt donnern und lärmen sie wieder. Meiner Meinung nach fliegen die Jets viel zu tief und viel zu laut. Klar, was die Militärs antworten, bei denen sich aufgebrachte Bürger beschweren: “Unsere Piloten halten sich an die gesetzlichen Regelungen.“ Diese Gesetze gehören geändert. Die Zeiten des Kalten Krieges sind vorbei. Es besteht kein Grund, den Menschen mit Fluglärm das Leben zu versauen. Mein Vorschlag: eine konzertierte Protestaktion der Bürgermeister im Stadt- und Landkreis Heilbronn.

Im RauschVon der Heilbronner Polizei wurde unlängst Entwarnung gegeben. Man habe die Rauschgiftszene am Friedensplatz einigermaßen im Griff. Zur Erinnerung: aufgebrachte Erzieherinnen und Eltern des Kindergartens am Friedensplatz hatten sich beschwert, daß Fixerutensilien im Spielplatzsand lagen, ganz offen gedealt werde. Nach vermehrten Polizeikontrollen wanderte die Szene wohl in den Stadtgarten ab. Können Kinder, Erzieherinnen, Mütter und Väter des Kindergartens nun aufatmen? Von wegen! Nach wie vor werde mit Rauschgift gehandelt, erzählte eine Erzieherin. Und warum kümmert sich die Polizei nicht darum?

Rund um die UhrSportlich, sportlich die Ilsfelder, oder besser, die die das Freibad der Gemeinde nicht nur zu den gängigen Öffnungszeiten besuchen. Beschwert haben sich nämlich einige Bürger über „heftigen Lärm“ in der Nacht, der von Badebesuchern verursacht worden sei. Klar, was da läuft. Einige Knauserköppe und Geizhälse wollen sich die paar Mark Eintritt sparen und legen ein „schattiges Bad“ ein. Vorschlag an Bürgermeister Bürkle: Abkassieren, Nachtbadezuschlag verlagen! Und zwar nicht zu knapp.

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