Mittwoch, 2. September 2009

Kiliansmännle, 12.10.1994

Auf nach Bonn
Jetzt gilt es! Am Sonntag ist Wahl. Es geht schließlich um Bonn. Ich bewundere jene, die dahin in den Bundestag wollen. Bis Mitternacht auf Wahlveranstaltungen sich das Maul fusselig reden? Schon morgens in aller Herrgottsfrühe am Werktor von Audi oder anderswo stehen und um Stimmen buhlen? Nein danke! Ich wollte nicht Hinz und Kunz, Greti und Pleti schönreden, nur weil es um jede einzelne Stimme geht. Das müssen schon besondere Menschen sein, die uns da kopfweise vom Wahlplakat entgegenschauen. Also, tun wir ihnen den Gefallen, gehen wir wählen am Sonntag.

Wahlkampf
Vier Jahre ist sie alt: unsere deutsche Einheit. Und deshalb wird jetzt zum zweiten mal in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands ein gesamtdeutscher Bundestag gewählt. 60 Millionen Deutsche dürfen an die Wahlurne treten, davon allein 32 Millionen Frauen. Und wählen können wir zwischen den Großparteien CDU, CSU (nur in Bayern) und SPD, den Kleinen ‚Bündnis 90/Die Grünen‘, FDP und Republikaner, sowie den Splitterparteien Die Grauen, MLDP, ÖDP - und vielen anderen. Wahlkampf in der letzten Woche vor dem Showdown am 16. Oktober? Von heißer Phase keine Spur. Es gibt Beschimpfungen, die kaum einer ernst nimmt, Versprechen („XY schafft Arbeitsplätze für alle.“), die niemand glauben kann, und es gibt Unmengen bedruckten Papiers, das am Wahltag Makulatur ist. Aber vor allem Geld: jede Partei, die über einen 0,5 Prozent Stimmenanteil nachweisen kann, kassiert eine Mark pro Stimme. Und für die ersten fünf Millionen Stimmen erhalten die Parteien sogar 1,30 Mark. Da lohnt es sich, heftig Wahlkampf zu machen. Wir zahlen, was uns die Parteien da erzählen und versprechen.

Zwei MdB‘s
Der Wahlkreis Heilbronn hat seit August 1994 zwei Abgeordnete in Bonn. Egon Susset von der CDU wurde bei der letzten Bundestagswahl 1990 direkt mit den Erststimmen nach Bonn entsandt. Nachgerückt ist im August der SPD-Kreisvorsitzende und Jurist Peter Alltschekow über die Landesliste seiner Partei. Und nun will er das Mandat für Heilbronn gesichert wissen. Über die SPD-Landesliste erneut in den Bundestag einzuziehen hat er keine Chance. Denn er steht gar nicht auf dieser Liste. Egon Susset dagegen ist auf der CDU-Landesliste abgesichert. Und so geht der SPD-Mann Alltschekow damit hausieren, daß er die Wähler auffordert, ihn direkt mit der Erststimme zu wählen, weil sein CDU-Kontrahent über die Liste ohnehin sicher nach Bonn käme. Meint Peter Alltschekow etwa damit: Erststimme für ihn, Zweitstimme für die CDU? Ich kann seine Worte nur so verstehen.

Altes Gemäuer?
Alle sind dafür: Untergruppenbachs Gemeinderat, das Landratsamt Heilbronn, ein Fleiner Architekt wollen, daß bei der Burg Stettenfels ein 200-Betten-Hotel gebaut wird. Alle? Eben nicht. Das Landesdenkmalamt in Stuttgart stört sich an der Größe des geplanten Objektes. Und irgendwie kann ich die Stuttgarter Denkmalhüter verstehen. Waren Sie schon mal bei der Burg Stettenfels? Wenn nein, dann sollten Sie sich den Ausflug gönnen. Man hat einen herrlichen Ausblick - fast so toll wie vom Kiliansturm. Rund um die Burg eine Art verwilderter Park. Eigentlich wäre es schade, wenn hier ein moderner Hotelneubau hinkäme. Übrigens hat ein Bagger schon einen Teil des Dornröschengartens ebengeschoben. Ob das genehmigt war? Einige Untergruppenbacher Gastwirte sind verständlicherweise auch nicht begeistert von den Neubauplänen. Konkurrenz belebt das Geschäft auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Unter den Einwohnern ist das ehrgeizige Hotelprojekt nicht unumstritten. Ein Hotel dieser Größenordnung bedeutet viel Autoverkehr. Die Idylle auf dem Stettfels wäre empfindlich gestört. Also so allein stehen die Denkmalschützer aus Stuttgart nicht da.

Schlechte LuftDie Luft wird schlechter - nicht nur um den Kiliansturm herum. Auch Heilbäder wie beispielsweise Bad Wimpfen haben mit ungesunden Luftmeßwerten Probleme. Dabei sollte man doch in einer Kurstadt etwas für seine Gesundheit tun können. Nun wird wieder mal das Auto als Bösewicht ausgemacht. Bad Wimpfen scheint die nahegelegene Industrie zu vergessen.

Unterland AusstellungIn Heilbronn ist der Feschtles-Reigen vorüber. Unterländer Volksfest und Weindorf 1994 sind Geschichte. Und auch die Unterland Ausstellung auf der Theresienwiese, weniger ein Fest, mehr eine festliche Schau für Industrie, Handwerk und Handel, hat schon lange ihre Tore geschlossen. Alle zwei Jahre soll sie für uns Konsumenten „das“ Wirtschaftsereignis der Region sein. Heuer war‘s das erste Mal im Herbst - zehn Tage lang. Fröhliche Gesichter, gute Laune und positive Einstellung zum Wirtschaftsgeschehen sollten unseren kleinen wirtschaftlichen Aufschwung beflügeln. Die Afag-Ausstellungsgesellschaft aus Nürnberg richtete zum siebenten Mal im Auftrag der Stadt die Unterland Ausstellung aus, die im Volksmund noch immer schlicht „Unterländer Ausstellung“ genannt wird. In früheren Jahren hatte man mit Bandwurmnamen experimentiert, angeblich aus juristischen Gründen. Trotz aller demonstrativen Zuneigung, die zwischen Stadt und Afag gepflegt wird: manche Beobachter meinen jetzt, daß in zwei Jahren ein Wechsel bei den Ausstellungsmachern angesagt ist. Nicht weil die Afag des Heiko Könicke schlechte Arbeit geleistet hätte - rund 99.000 Besucher sind schließlich eine ansehnliche Zahl -, sondern weil der Wechsel das Geschäft belebt. Außerdem: die Kleinmessen in der Region haben - gemessen an der jeweiligen Einwohnerzahl - weitaus mehr Erfolge vorzuweisen.

Stadtbahn
Viel diskutiert, hochgelobt - das Stadtbahnprojekt im Unterland. Heilbronner Gemeinderat und Kreistag stimmten den Plänen jetzt mehrheitlich zu. Aber wie und wo wird die Stadtbahn durch Heilbronn fahren? In der Innenstadt soll die Bahn durch die Kaiserstraße rauschen. Ob durch einen Tunnel oder auf der Straße, das ist bis jetzt noch nicht klar. Und ob die Fahrgastzahlen in gewünschter Anzahl vorhanden sein werden, auch das steht auch noch in den Sternen. Vorstellungen gibt's bisher nur über die Kosten. Mindestbelastungen für die Stadt: 15 Millionen Mark jährlich für Kapitaldienst und Betriebskosten. Gewarnt wurde im Heilbronner Gemeinderat von einer Minderheit vor einem Phantom, dem man da hinterherrenne.

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