Donnerstag, 3. September 2009

Kiliansmännle, 16.11.1994

Einzelhandel
Wenn ich so an den Wochenenden oder am langen Donnerstag von meinem Turm herab in die City Heilbronns schaue, dann spüre ich wenig von der Krise. Aber viele Menschen, die gucken und vielleicht auch hier und da etwas kaufen, sind noch keine Garantie für ausreichende oder steigende Umsätze bei den Einzelhändlern. Das Weihnachtsgeschäft hat schon begonnen - und der Handel erwartet nicht die bombastischen Geschäfte wie zu Beginn der Neunziger. man ist sehr bescheiden geworden. Bisher wurde ein Minus von zwei Prozent im westdeutschen Einzelhandel festgestellt. Und die Tendenzen sind nicht günstig. Vor allem im Textilhandel. Es gibt sogar Stimmen unter den Kaufleuten in Heilbronn, die einen 15 prozentigen Kaufkraftschwund festgestellt haben wollen. Und als ein Argument für diesen Schwund wird hervorgehoben: „Die Stadt versucht alles, um Besucher rauszuhalten.“ Gemeint ist die Parkplatz-Situation in und die City. Aber die ist immer noch besser als in manche Bereichen der Ballungszentren Stuttgart und Rhein-Neckar. Was dem Einzelhandel zu schaffen macht, das ist die Bündelung der Probleme. Kaufzentren auf der grünen Wiese, Attraktivität auch der kleineren Städte im Unterland, scharfer Preisvergleich der Kunden, Zurückhaltung bei größeren Ausgaben, kleiner Geldbeutel dank erhöhten Steuern und Abgaben. Wenn die Wirtschaftskrise gemeistert werden soll, muß der Verbrauch der Menschen angespornt werden. Und da helfen keine guten Sprüche und Klagen, sondern nur mehr Geld.

Gestoppt
Im Heilbronner Gemeinderat zeigten die Stadträte Zähne. Die Erhöhung von Gebühren und Abgaben, die im nächsten Jahr mit großer Durchschlagskraft auf die Bürger zurollen sollte, ist vorerst gestoppt. Eine herbe Niederlage bereitete die Mehrheit im Stadtparlament OB Manfred Weinmann und seinem Finanzdezernenten Werner Grau. Maßvollen Steuer- und Gebührenerhöhungen wollte der Rat nur zustimmen, wenn zuvor die gesamte Einsparpalette auf dem Tisch liege und die Ausgabenseite insgesamt abgestimmt sei. Einig waren sich in dieser Aussage CDU, Freie Wähler, FDP und Republikaner. Mangelnden Mut und fehlendes Rückgrat warf die SPD dieser bürgerlichen Mehrheit vor. Das Haushaltsloch von 25 Millionen sei nur mit höheren Abgaben zu stopfen Und auch die Grünen stimmten mit der Verwaltung und den Sozis. Die Fronten sind geklärt. Jetzt muß eine Politik des Kompromisses herbeigeführt werden. In langwierigen Verhandlungen. Mal sehen wie gerupft wir Bürger dabei herauskommen.

Langfinger
Die Aufklärungsquote ist kläglich: Gerade mal 14 Prozent der Wohnungseinbrüche werden von der Polizei aufgeklärt. Doch, der Bande, die derzeit im Süden des Landkreises Heilbronn ihr Unwesen treibt, ist bislang überhaupt nicht auf die Schliche zu kommen. Nun bittet das Polizeirevier Weinsberg die Bürgerinnen und Bürger per Handzettel um Mithilfe. Auf einem rosaroten Blatt Papier werden die Wohnungsinhaber darauf hingewiesen, daß Städte und Gemeinden mit guter Verkehrsanbindung in Autobahnnähe oder an gut ausgebauten Bundes- oder Landstraßen besonders gefährdet sind. Beliebte Tatzeit der Langfinder: ab Einbruch der Dunkelheit bis etwa 22 Uhr, wenn Wohnungsinhaber offensichtlich abwesend sind, also die Wohnung unbeleuchtet ist. Ich würde diese verzweifelte Warnung beinahe eine Kapitulation der Polizei vor dem Verbrechen nennen. Und da diskutieren Politiker eine Straffreiheit für Ladendiebe. Das ist falsch verstandene Liberalität, geradezu eine Einladung für dreiste Gauner. Denn die gehen, wie kürzlich bei Beilstein geschehen, so vor, daß sie nicht geheimnisvoll im Dunkeln ,,arbeiten". Nein, völlig überrascht stellte die Polizei fest, daß die aufgebrochene Wohnung hell erleuchtet war.

Ökologischer Blödsinn
Da hat die Europäische Union wieder mal für ökologischen Blödsinn gesorgt. Wer sein Leergut zum Weingärtner zurückbringen will, könnte immer mal wieder eine Überraschung erleben. Denn es werden nur noch Flaschen mit Sternenkranz zurückgenommen. Und der Rest der gläsernen Ware? Der wird wohl vernichtet werden. Den Heilbronner Wengertern stehen ob solchen europäischen Unsinns die Haare zu Berge.

Knitzer KnabeEr ist schon ein knitzer Knabe, der Unterländer FDP-Landtagsabgeordnete Richard Drautz. Flugs hat er vergangene Woche das Erdgeschoß des Stuttgarter Landtages für eine Fete unter Beschlag genommen. Allerhand wichtige und unwichtige Unterländer Persönlichkeiten waren geladen. Damit bewies Drautz den Stuttgartern bereits zum zweiten Mal - im vergangenen Jahr fand dieser Unterländer Herbst auch schon statt - wie gut man im Stadt- und Landkreis Heilbronn Feste feiern kann. Daß Drautz auch viel für die eigene Popularität tat, versteht sich von selbst. Neben einigen Landeskorrespondenten der Tageszeitungen hatte sich der Chefredakteur der Heilbronner Stimme zu Drautz bemüht. Wie man aus ungewöhnlich gut informierten Kreisen erfahren konnte, soll Wolfgang Bok die ersten zarten Kontakte zur Heilbronner Weinszene geknüpft haben, obwohl er sich an diesem Abend überwiegend dem Bier widmete. Prost!

ArbeitslosUnverändert ist die Quote der Arbeitslosen Ende Oktober im Arbeitsamtsbezirk Heilbronn geblieben. Satte 8.1 Prozent In Baden Württemberg liegt sie bei 7,3 Prozent. Im Oktober 1993 zählte man im Unterland noch 7,9 Prozent. Von Entwarnung also kann niemand sprechen Im Gegenteil: die Firmen der Region geben an, daß durchaus noch Einsparungen bei den Arbeitsplätzen vonnöten seien. Was die Konjunktur zur Zeit belebt, das ist ein leicht ansteigender Export. Aber was sagen Zahlen über die wirkliche Lage der Menschen. Arbeitslosigkeit ist nicht unbedingt materielles Elend, aber durchaus ein Einschnitt ins Selbstvertrauen, in den gewohnten Lebenslauf und zerstört allzuoft die Psyche einer Familie. Mitleid und Hilfsbereitschaft dürfen deshalb keine Fremdworte für uns werden.

Die GrößtenWir Unterländer sind die Besten und Größten - zumindest, wenn es um den Weinbau in Württemberg geht. Aber der Reihe nach. Das bekannte Verbrauchermagazin DM erstellt alljährlich eine Liste der besten 100 Weingüter in Deutschland. Wer auf dieser Liste steht, kann sich ,,von" heißen. Denn die Juroren sind echte Weinkenner. Mit dem kalifornischen Fachmann Joel Payne sei nur ein Name genannt. Diesmal sind württembergische Güter ganz rar vertreten. Gerade mal vier konnten das begehrte Gütesiegel ergattern. Und wie heißen sie? Es sind dies Drautz-Able, Fürst zu Hohenlohe, die Weinsberger Weinbau-Lehranstalt und Graf von Neipperg in Schwaigern.

IndustrieparkNun ist es also heraus: Der Industriepark vor dem Neckarsulmer Audi-Werk wackelt. Bad Friedrichshall hat sich aus dem Projekt zurückgezogen. Und man kann es Bürgermeister Peter Knoche nicht mal verdenken. Zu hoch sind die Vorleistungen, welche die Kommune bringen müßte. Vor der Bundestagswahl war dieser Industriepark immer wieder ein Thema für Politiker aller Couleur. Besonders unser Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) hat sich wortreich für das Projekt eingesetzt. Bevor die ganze Sache nun endgültig platzt, wäre die einigende Kraft des SPD-Mannes, der sich doch so sehr als Partner der Wirtschaft versteht, gefragt. Übernehmen Sie, Herr Spöri!

Luft-Image
Rund 20 000 Autos täglich rattern durch Bad Wimpfen. Bürgermeister Brechter weiß nicht erst seit dem für das Image der Kurstadt verheerenden Luftgutachten, daß etwas gegen die dicke Luft zu tun ist. Tunnelbau oder Umgehungsstraße? Beides wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis die Genehmigungsbehörden entschieden haben. Wimpfen hätte viel früher Druck machen, darstellen müssen, wie miserabel die Verkehrslage im Ort ist. Erinnern wir uns: Schon in den achtziger Jahren gab es in dem Ort einige Bürger, die den damaligen Bürgermeister Klaus Czernuska darauf aufmerksam machten, daß die Autos um die Stadt fahren sollten. Das wäre besser für die Einwohnerinnen und Einwohner, besser, deren Gesundheit. Damals wurde dies alles von den etablierten Parteien und Vertretern des Gemeinderates als „grüne Spinnerei“ abgetan. Und heute? Da wäre manch einer froh um eine Umgehungsstraße.

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